?> STOPP-Projekt – Diabetes Hamburg

STOPP-Projekt

Projekt der Primärprävention zur langfristigen Reduzierung von Adipositas, Gestationsdiabetes und manifestem Diabetes bei Müttern und ihren Kindern!

Das Projekt ist inzwischen beendet.

Die Projektzeit erstreckte sich von 2014 bis 2020.

Die unten aufgeführten 6 Botschaften zur Gesundheitsprävention während Schwangerschaft und früher Kindheit sind unverändert wichtig und richtig!

Das STOPP-Projekt richtete sich an schwangere Frauen, bei denen bei Beginn der Schwangerschaft Übergewicht oder Adipositas bestand oder die im Laufe der Schwangerschaft einen Schwangerschaftsdiabetes entwickelten. Dies sind Gesundheitsrisiken, die wiederum bei ihren Kindern häufiger zu Übergewicht, Adipositas und auch Diabetes mellitus Typ 2 führen können. Zudem birgt die Überernährung des Säuglings langfristig ähnliche Gefahren.

Denn: die Prägung für Adipositas und Diabetes beginnt schon im Mutterleib!
Die gute Botschaft: Es kann vor Eintreten von Krankheit positiv auf die Gesundheit der Kinder eingewirkt werden.

Ziel des Projektes

  • durch Primärprävention schon in Schwangerschaft und früher Kindheit mögliche Gesundheitsrisiken zu STOPPen.  Die Schwangerschaft ist hierfür eine besonders erfolgversprechende Zeit.
  • den Aufbau der dazu bisher fehlenden Strukturen in Hamburg zu ermöglichen und den Nachweis der Funktionsfähigkeit zu erbringen (Pilotprojekt), um dann als Frühe Hilfe in die dauerhafte, nachhaltige Übernahme für Hamburg zu münden.

Die Botschaften

  • Bewusstsein schärfen für erhöhtes Risiko des Kindes
  • angemessene Ernährung vor und in der Schwangerschaft
  • Vermeidung übermäßiger Gewichtszunahme in der Schwangerschaft (“Nicht für zwei essen”)
  • körperliche Aktivität vor und in der Schwangerschaft fördern
  • Erkennen und Behandeln eines Gestationsdiabetes
  • möglichst Stillen bis zum fünften Lebensmonat

Die Durchführung

Die Projektbegleitung der jungen Familie erstreckte sich vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des 2. Lebensjahres des Kindes.

Die Projektkoordinatorin knüpfte ein Netzwerk aus Familie und den verschiedenen Behandlern und hielt aktiv Kontakt mit allen. Es erfolgte eine strukturierte modulare Begleitung der jungen Familie und praxisnahe Gesundheitsberatung (Ernährung-Bewegung-gesunder Lebensstil) einzeln und in Kleingruppen zusätzlich zu den Vorsorgeterminen der werdenden Mutter und den Vorsorgeuntersuchungen der Kinder. Grundlage waren die Verlautbarungen der Fachgesellschaften und von inForm, die in klaren, verständlichen Worten vermittelt wurden.

Das Projekt finanzierte sich aus Spendengeldern (ohne Einfluss auf inhaltliche Aussagen und Ergebnisse des Projekts), war angesiedelt in der Stiftung Kind und Jugend des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Deutschland und war Partner  der Hamburger Gesellschaft für Diabetes und dem Netzwerk Junge Familie – Gesund ins Leben.

Die Ergebnisse

Von den schließlich 131 gemeldeten Frauen starteten 58% das Projekt, abzüglich der Abbrecher im Laufe des Projekts verblieben von den 76 gestarteten Frauen 45 Frauen im vollen Projekt über 2 3⁄4 Jahre. Im Projekt war der Anteil von Schwangeren mit Gestationsdiabetes erheblich höher als es die allgemeine GDM-Prävalenz in Deutschland erwarten ließ. Dies beruht auf dem hohen Anteil von Projekt- anmeldungen durch wenige, sichtlich gut motivierte Diabetolog*innen gegenüber den Gynäkolog*innen. Die Gründe für vorzeitigen Abbruch des Programms waren vielfältig und i.d.R. den Lebensumständen der Frauen geschuldet, nicht einer Unzufriedenheit mit dem Programm.

Die Altersspanne der Frauen betrug 19 bis 46 Jahre, Durchschnittsalter 32 Jahre.

Das STOPP-Projekt konnte unter dem Aspekt der Umsetzbarkeit flächenmäßig nicht gleichmäßig über das Stadtgebiet beworben werden; auch wenn die Teilnehmerinnen tendentiell aus bildungsnäheren Schichten kamen, ist erfreulich auch die Teilnahme von vielen Schwangeren aus bekanntermaßen sozio- ökonomisch problematischeren Hamburger Stadtteilen.

25% konnten das Projekt idealerweise im 1. Trimenon beginnen. Die Frauen ohne GDM im Mittel in der 19.SSW, die Frauen mit GDM im Mittel in der 30.SSW, nachvollziehbar bei der Terminierung des GDM- Screenings in der 24.-28. SSW. Die Schwangeren mit Gestationsdiabetes weisen zum Projektstart dann schon in 73,4% Übergewicht und Adipositas auf bzw. 53,4% Adipositas.
Aufschlussreich und ermutigend ist die Aufschlüsselung der Gewichtsverläufe während der Schwangerschaft der adipösen Frauen nach dem Zeitpunkt ihres Eintritts ins STOPP-Projekt: je früher sie starteten, desto günstiger (lt. IOM-Empfehlung) war der Gewichtsverlauf!

Über die Hälfte der Frauen mit GDM (mit/ohne Übergewicht) wurden insulinpflichtig. Dies mag dem großen Anteil von 73,4% der GDM-Frauen mit zusätzlichem Übergewicht und Adipositas geschuldet sein.

Das Körpergewicht vor Schwangerschaft der gesamte Gruppe variierte von 19,4kg/m2 (Frauen mit GDM) bis 51,1kg/m2 (Frauen mit und ohne GDM).
Die Frauen ohne GDM hatten in 80% Adipositas (BMI 30->40), in 20% Übergewicht (BMI 25-29,9),
Die Frauen mit GDM hatten in 53% Adipositas, in 20% Übergewicht und in 27% Normalgewicht

Die Frauen mit Adipositas nahmen während der Schwangerschaft im Mittel 9,8 kg zu, was nur knapp oberhalb der IOM-Empfehlungen von 5-9 kg Gewichtszunahme liegt. Sie überschritten die IOM- Empfehlungen in 52,6% (zum Vergleich in Hamburg 61%)
Ganz besonders profitierten offensichtlich die Adipösen Grad II und III mit ihrer gewünschten IOM- Gewichtszunahme von der Gesundheitsintervention.

Die Frauen mit Übergewicht und Adipositas GradI haben über den gesamten Betreuungszeitraum von 2 3⁄4 Jahren moderat zugenommen. Die Frauen mit Adipositas Grad II und III haben gegenüber dem Gewicht bei Schwangerschaftsbeginn über die 2 3⁄4 Jahre sogar 6 kg an Gewicht abgenommen!

Insgesamt sahen wir bei allen Frauen eine gute Ernährungsumstellung, Fast alle lagen im Bereich ihres Energiebedarfes, der größte Teil der Frauen hat den Anteil an Obst, Gemüse und Vollkornprodukten gesteigert und eine gesunde Ernährung für Schwangere entsprechend der Leitlinien gut umgesetzt.

Ein wichtiger Effekt kann im Thema Bewegung vermerkt werden. Viele Frauen hatten Sport/Bewegung mit Beginn der SS verringert (Unwissenheit), dann aber insgesamt die Alltagsbewegung nach Information durch das Projekt gesteigert. Viele Frauen haben zusätzlich mit Sport begonnen. Langfristig behielten sie die gesteigerte Alltagsbewegung bei und die Anzahl der Frauen ohne regelmäßigen Sport nahm bis Projektende ab.

Im Projekt geboren wurden 55 Kinder, 75% der Kinder wurden im angestrebten Zeitraum zwischen 39. und 42.SSW geboren.

Das Geburtsgewicht lag bei 93,75% der Neugeborenen im Normalbereich. 2 Kinder hatten ein GG >4500 gr und 1 Kind nahe an 4500 gr., was einem Anteil von 6,25% entspricht. Diese Kinder (von 2 Kindern konnten wir diese Langzeitdaten erheben) hatten im 2. LJ ein Normalgewicht.
Die Mütter dieser 3 Kinder mit hohem GG hatten alle eine Adipositas Grad II – III bzw. nahe an Grad II.

Alle Kinder erhielten eine adäquate Säuglingsernährung. Obwohl bekanntermaßen Mütter mit Übergewicht, Adipositas und GDM ihre Kinder kürzer und seltener stillen, wurden knapp 61% über 5 Monate voll gestillt, weitere 14% über 5 Monate teilgestillt. Neben diesen 75% gestillten Kindern erhielten 25% eine Formula-Pre-Nahrung.

Im Alter von 2 Jahren hatten 2/3 der Kinder Normalgewicht im angestrebten Perzentilenbereich von >P25 – <P90, 1/6 im Übergewichtsbereich oberhalb P90; 1/6 unterhalb des Normalgewichts..

(Legende: BMI = Body Mass Index kg/m2, GDM = Gestationsdiabetes, IOM = Institute of Medicine, SS = Schwangerschaft, SSW = Schwangerschaftswoche)

Anmerkung: Weitere und ausführlichere Aussagen sind der Langfassung der Evaluation zu entnehmen!

 

Kritische Würdigung der Ergebnisse

 

Projekterstellung und Projektdurchführung erfolgreich

Das STOPP-Team hat ein umfassendes Projektmanagement entwickelt. Die Strukturen und Schulungs-unterlagen haben sich als praxistauglich erwiesen.

Die Teilnehmerinnen signalisierten insgesamt eine hohe Zufriedenheit und positive Bewertung und fanden das Projekt hilfreich ergänzend und vertiefend zur bestehenden Regelversorgung.

 

Akquirierung der Teilnehmerinnen schwierig

Trotz Befürwortung dieses Gesundheitsprojekts durch viele Gynäkolog*innen und wenig Aufwand für sie, erfolgte die Meldung von Schwangeren sehr zögerlich und schleppend und geringer als erwartet. Diese erstaunliche Tatsache ist auch von ähnlichen Projekten in Deutschland bekannt.

Was ist zu überdenken:

Stärkere Sensibilisierung der Gynäkolog*innen für das Thema, u.a. mit Hilfe ihres Berufsverbandes.

Erfahrung ist, dass die übergewichtigen/adipösen Frauen kein psychologisches Problem haben mit der Thematisierung ihres höheren (epigenetischen) Gesundheitsrisikos.

Zusätzlich alternativer Zugang zum Projekt für interessierte Teilnehmerinnen.

Öffnung für alle Schwangeren unabhängig von Körpergewicht und Gestationsdiabetes

 

Hohe Betreuungsintensität und –kompetenz

Die Schulung durch unsere ausgewiesenen Fachkräfte erscheint uns sehr wichtig und ein Schlüssel zum Erfolg. Die Intensität und Kompetenz der Betreuung war hoch und wurde von immer derselben Person, der Projektkoordinatorin, wahrgenommen. Ihre fachliche Expertise als Diätassistentin mit langjähriger Schulungserfahrung und die empathische Zuwendung mit Hilfestellungen ggf. auch im psycho-sozialen Bereich waren eine wesentliche Säule der Betreuung.

Was ist zu überdenken:

Ob auch eine geringere Intensität und Expertise, wie von manchen ähnlich gelagerten Projekten betrieben,  erfolgreich sein wird, könnte nur ein anschließendes Projekt mit verschieden intensiven Betreuungsarmen zeigen.

 

Gesundheitsverhalten verbessert

Die Datenauswertung zeigt, dass die Frauen im Laufe der Schwangerschaft mehrheitlich ihr Gesundheitsverhalten hinsichtlich Ernährung und Bewegung zum Besseren verändert haben.

 

Je früher im Projekt – desto günstiger der Gewichtsverlauf in der Schwangerschaft

Bei dem wichtigen Fakt Gewichtsverlauf in der Schwangerschaft zeigte sich eine günstigere Gewichtszunahme, wenn die Frauen früh im ersten Trimenon ins Projekt eintraten, also länger begleitet werden konnten und frühzeitiger von den Empfehlungen profitieren konnten. Da dieses Pilotprojekt als Machbarkeitsstudie eine reine Interventionsgruppe ohne Kontrollgruppe hatte, kann die Datenauswertung nur Ergebnisse des STOPP-Projekts darlegen und den Zusammenhang mit der Intervention erahnen lassen ohne einen direkten Beweis führen zu können (Beobachtung).

Was ist zu überdenken:

Die Gynäkolog*innen sollten konsequent gleich bei Feststellung der Schwangerschaft auf das Gesundheitspräventionsprojekt hinweisen, die Diabetolog*innen früh nach Feststellung des GDM zuweisen.

 

Erfreuliche Veränderungen im Bereich der mütterlichen Bewegung

Schwangere mit Angst vor schädlichen Einflüssen von körperlicher Aktivität auf die Schwangerschaft konnten zur Aufnahme von Bewegung überzeugt werden und bei den übrigen das Maß ihrer körperlichen Aktivität auch in Absprache mit den behandelnden Gynäkologen*innen justiert werden.

 

Es wurde viel gestillt

75% der Kinder wurden über die ersten 5 Lebensmonate voll (61%) oder teilgestillt (14%), darüber hinaus auch länger teilgestillt. Die frühzeitige Beratung und Hinführung zum Stillen ist ein besonders intensives Modul von STOPP.

Was ist zu überdenken:

Einbeziehen der Hebammen und der zertifizierten Laktationsberater*innen in das Schulungsmodul Stillen.

 

Gewichtsentwicklung der Kinder

2/3 der mit einem „Epigenetischen Übergewichtsrisiko“ belasteten Kinder hatten mit vollendetem 2. Lebensjahr ein Normalgewicht, 1/6 der Kinder lag mit dem BMI im Übergewichtsbereich, 1/6 im Untergewichtsbereich. Interessant wird die erhoffte Erhebung des weiteren Gewichtsverlaufs im 6. bis 10. Lebensjahr sein.

Was ist zu überdenken:

Die jeweils betreuenden Pädiater*innen könnten die Gewichtsentwicklung jenseits des zweiten Geburtstags des Kindes mittel- und langfristig dokumentieren und den Projektdaten hinzufügen.

 

Downloads:

Flyer STOPP-Evaluation 2020-10-16

Kurzfassung STOPP-Evaluation 2020-10-16

 

Projektverantwortlicher und Sprecher der STOPP-Gruppe:

Dr. Rudolf Lepler

rs.lepler@gmail.com

 

Links:

Langfassung STOPP-Evaluation 2020-10-16

Poster Epigenetik STOPP 2014

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